Eisenbahnen in Madagaskar

 Drei Linien sind für Passagiere befahrbar

Das einst rund 700 Kilometer umfassende Schienennetz Madagaskars ist zwar nicht geschrumpft, aber für Passagiere sind nur noch drei Strecken nutzbar.
Im Nordnetz hat der Frachtverkehr Priorität erhalten gegenüber dem Personenverkehr. Schade. Trotzdem sind auf zwei Linien noch Fahrten möglich. Allerdings nicht jeden Tag.
Die Südlinie befördert weiterhin Mensch und Material. Sie wird oft als 'Dschungelbahn' bezeichnet, obwohl sie durch keinen 'Dschungel' mehr fährt.

"Erstaunlich, wie sich die FCE dank engagiertem Personal über Wasser halten kann. Dem Betrieb fehlt es an Allem: Lokomotiven, Ersatzteile, Schienen." 

Ab und zu berichtet die Presse über die Situation der Eisenbahnen in Madagaskar. Oft mit nostalgischem Blick. Tatsache ist, dass es seit 100 Jahren Eisenbahnen in Madagaskar gibt und sie in vielen Regionen nach wie vor ein wesentlicher Teil des täglichen Lebens und der Lokalökonomie sind.

Interessanter Bericht in der Welt:

Für 170 Kilometer braucht der „Express“ neun Stunden

Touren in Madagaskars Billigzügen sind ein Abenteuer – und wohl schon bald Geschichte. Die Fahrt ist hart. Doch es gibt Fans, die kommen immer wieder. Sie freuen sich über Lemuren, einsame Strände und Dschungel.

Veröffentlicht am 11.10.2018 

Wer Madagaskar auf der Schiene erkunden will, muss sich sputen. Etliche Strecken sind bereits stillgelegt, oft aus wirtschaftlichen Gründen. Am historischen Bahnhof in der Hauptstadt Antananarivo sind die Türen zum Bahnsteig verschlossen. Immerhin: Ein Güterwaggon dient im schicken „Café de la Gare“ als Klohäuschen.

Doch im 120 Kilometer entfernten Moramanga wartet das Bahnabenteuer auf den Spuren der Lemuren. Diese Feuchtnasenaffen mit Kulleraugen und putzigem Gesicht sind die tierischen Stars der afrikanischen Insel im Indischen Ozean.

Es ist zehn Uhr. Die Sonne brennt. Eine rote Diesellok rollt aus dem Schuppen in Moramanga. Dutzende Insulaner laufen über die Gleise, wuchten Säcke, Kisten und Körbe in die Güterwaggons. Sieben Fracht- und vier Personenwagen hat der Zug. Der weiß-blaue Wagen der ersten Klasse wirbt mit der Aufschrift „Le Trans-Lémurie Express“.

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Eisenbahn-Romantik: Dokfilm Madagaskar

Der Dschungelexpress von Madagaskar

Eine 14 Stunden Fahrt auf einer der beiden noch funktionierenden Eisenbahnlinien Madagaskars von Fianarantsoa im Hochland hinab nach Manakara an die Ostküste, in den betagten Waggons des  "Dschungelexpress" bedeutet "Madagaskar pur".

Folge 822 | Eisenbahnromantik | 29:43 min 

Die Reportage folgt dem Zug von Fianarantsoa nach Manakara, also auf der Südlinie. Dort betreibt die FCE weiterhin einen Passagierbetrieb. Zweimal pro Woche fährt die Eisenbahn vom Hochland an die Küste des Indischen Ozeans. Dies dauert einen ganzen Tag. So klar ist die Fahrtdauer nie. Es kann auch manchmal etwas länger dauern.

Die FCE (Fianarantsoa Côte-Est) verfügt nur noch über eine einzige fahrtüchtige Diesellok. Fällt die aus, dann ruht der Zugverkehr. Nur in Notfällen wird eine kleine Draisine eingesetzt. Die staatliche FCE kämpft in Madagaskar ums Überleben.

In Madagaskar, wie in anderen französischen Kolonialgebieten, wurden Schienenomnibusse ('Micheline') eingesetzt. Sie liefen auf Luftreifen über Schienen. Dieses vom Reifenhersteller erfundene System war ab den 1930er Jahren das bequemste Fortbewegungsmittel. In Madagaskar haben zwei Micheline's überlebt. 

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Die madagassische Eisenbahn gründet in der Kolonialzeit. Während die Eisenbahn in Europa und Amerika in der 2. Hälfte des 19. Jahrunderts fulminant expandierte und Distanzen auf nie dagewesene Zeitspannen reduzierte, war in Madagaskar um 1900 so gut wie kein Meter Strasse angelegt und schon gar nicht Schienen verlegt. Der wenige Frachtverkehr zwischen Küste und Hauptstadt wurde von Trägern bewältigt.
Der militärische Kolonialadministrator General Galliéni setzte sich mit aller Kraft für die Verbesserung der Transportwege ein und daher auch für den Bau einer Eisenbahn.

Ursprünglich angedacht war, die Linien in einem zusammenhängenden Netz zu bauen. Also von der Hafenstadt zur Hauptstadt, dann nach Süden über Antsirabe nach Fianarantsoa und sogar weiter bis nach Tulear. Eine Seitenlinie sollte Fianarantsoa mit Manakara verbinden und so einen zweiten Meereszugang ermöglichen. Zudem sollte die Bahn bis nach Tulear führen, weil die dortigen Kohlevorkommen als ausnehmend interessant befunden wurden. Eine zweite Stichlinie sollte zum Lac Aloatra führen, um diese Reiskammer Madagaskars zu erschliessen.
Doch es kam anders. Die erste gebaute Linie hoch nach Antananarivo, dem damaligen kolonialen Tananarive, wurde gebaut, wie dann auch die Linie nach Antsirabe und nach Ambatondrazaka. Auch von Manakara arbeiteten sich Bautrupps in den 1930er Jahren hoch nach Fianarantsoa. Doch der Zusammenschluss der beiden Linien, Nord und Süd, kam nie, ebenso wurde der Bau der Bahn nach Tulear nie realisiert wurde.
So bestehen in Madagaskar bis heute zwei getrennte Netze, beides Meterspuren.

Private Initiativen schufen nur lokal wichtige Schienennetze. So auf Nosy Be für den Zuckertransport. In Diego Suarez, dem heutigen Antsiranana, für den Personentransport im Stadtbereich, ebenso wie in Tamatave. Auch südlich von Tulear lag eine Linie, die für den Kohletransport gedacht war. Sie ist heute noch an einer kerzengeraden Strasse von West nach Ost zu erkennen. Auf Nosy Be sind noch eine Dampflok, ein paar Waggons und kurze Schienenstrecken zu sehen. In Diego Suarez und in Tamatave, ebenso wie in Anakao (südlich von Tulear) sind keinerlei Spuren dieser meist nur Behelfsbahnen mehr zu sehen.


Während der Kolonialzeit bis 1960 spielte die Eisenbahn die dominante Rolle in der ökonomischen Entwicklung Madagaskars. Die stets wachsende Hauptstadt wurde über den Seehafen Tamatave mit Importwaren versorgt. Ebenso war der Naturhafen Tamatave der Einreisepunkt für Reisende, auch für die Post. Regelmässige Schiffslinien verkehrten durch den Suezkanal zwischen Tamatave und Marseille.
In Tamatave angekommen ging es weiter per Eisenbahn. Eine Dampfzugfahrt dauerte in den 1930er Jahren zwei Tage, um von Tamatave bis zur Hauptstadt Antananarivo zu gelangen. In Andasibe wurde im 'Buffet und Hotel de la Gare' übernachtet.

Der Pneufabrikant André Michelin erfand einen Schienenomnibus, der auf Luftreifen über die Schienen fuhr. Seitliche Eisenscheiben verhinderten, dass der Zug von den Gleisen glitt. Diese Erfindung fand auch Anwendung in Madagaskar. So waren ab den späten 1930er Jahren mehrere Michelines, wie sie genannt wurden, in Madagaskar im Einsatz. 
Die Micheline Coloniale Type 51 überlebte sogar Jahrzehnte und eine davon fand den Weg zurück ins Michelin Museum in Clermont-Ferrand. In Madagaskar selber stehen noch zwei funktionsfähige Michelines, doch aufgrund des schlechten Schienenzustands (nicht geschweisste Schienenübergänge) und dem grossen Problem des Reifennachschubs stehen sie so gut wie nie mehr im Einsatz. 


Im südlichen Hochland von Madagaskar befindet sich noch eine fahrtaugliche Micheline. Hier im Bild steht sie vor dem Bahnhof Fianarantsoa. Leider verlässt sie das Bahnhofareal nicht mehr. Die Eisenbahnverwaltung will die allerletzten noch funktionstüchtigen Reifen nicht aufbrauchen. 

Wie eine riesige Unterlagsscheibe klebt die Eisenführung am Luftreifen. Sie verhindert, dass das Gefährt aus den Schienen springt. Nur Michelin stellte damals diese Sonderreifen her. Die Produktion wurde seit vielen Jahren eingestellt. 

Es existieren weltweit nur noch äusserst wenige Schienenfahrzeuge, die auf Luftreifen fahren. Nur ganz wenigen Kennern ist bekannt, dass sich in einem Schuppen in Quelimane (Mozambique) auch noch eine Micheline etwas verschämt in der Halle steht, vor der ein paar noch betriebsbereite (und im Rangierbetrieb genutzte) Dampfloks stehen. Die Meterspur durch Mittelmozambique war betrieben vom Staatsunternehmen CFM. Die Linie führte in drei Stunden von der Küstenstadt Quelimane nach Mocuba. Ausser ein paar Stummelgeleisen um den Bahnhof ist die Bahn nicht mehr in Betrieb und die Schienen sind abgebaut. 

alle Fotos copyright: Franz Stadelmann, PRIORI Madagaskarhaus Basel

Schlafwagen und Nachtzüge

Die Eisenbahn erlebt ja weltweit ein grosses Revival. Insbesondere die Nachtzüge sind beliebt und werden in Europa im Monatstakt aufgeschaltet. Doch welche Nachtzüge gibt es denn aktuell? Weltweit?

Der Architekt und Kartograf Jurg Cerovic hat sich in seinem Pariser Atelier aufgemacht, um alle bekannten Nachtzüge der Welt aufzulisten und kartografisch darzustellen. Ein Mammutprojekt, das jahrelang dauerte. Er ist kein Unbekannter. Bereits hat er mit seinem Buch über die Metrolinien der Welt seine Ambition gezeigt, Verkehrswege stylisch darzustellen. 

Seine neueste Arbeit hat er gleich online gestellt. Auf Night Trains präsentiert er alle Kontinente mit den entsprechenden Bahnlinien, die nachts für Passagiere verkehren. Das Netz in Europa ist dicht und wird dichter, während es sich in Afrika sehr auf das südliche und östlichen Teil des Kontinents beschränkt. Doch es mag bezweifelt werden, ob zwischen Beira und Marromeo wirklich ein nächtlicher Passagierzug verkehrt. Oder die Linie überhaupt wieder offen ist. Dies mindert den verdienst des Kartografen keineswegs. 

Das Gewaltswerk ist eindrücklich und die Präsentation auf der Homepage ebenso: durchgestylt und mit schwarz-weissen Fotos versehen verleitet das jeden 'Armchair-Traveller' und auch real Reisende zu nächtlichen Fahrten durch die ganze Welt. 

Madagaskar stellt sich auf diesen Karten als weisser Fleck dar. Es verkehren ja auch - derzeit Februar 2020 - nur auf der Südlinie (FCE) noch Passagierzüge. Zweimal die Woche rattert ein Reisezug von Fianarantsoa an die Küstenstadt Manakara und am Folgetag wieder zurück auf das Hochland. Die Bahn hat alle Mühe mit ihrer einzigen noch funktionierenden Lokomotive den Betrieb aufrecht zu erhalten. Nachtzüge werden da sinnigerweise keine angeboten. Hingegen entwickelt sich so gut wie jede Fahrt, die eigentlich eine Tagesfahrt sein sollte, zur Nachfahrt. Meist dehnen sich die Verspätungen über mehrere Stunden aus. So hat auch Madagaskar seine Nachtzüge.

Die Karten können als dekorativer Ausdruck bestellt werden und machen sich bestimmt sehr gut auf einer global ausblickenden Wand. 

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